Im Jahr 1981 präsentierten drei griechische Wissenschaftler, Panagiotis Varotsos, Kaisaras Alexopoulos und Konstantinos Nomikos, die von ihnen entwickelte Methode zur kurzfristigen Vorhersage von Erdbeben, bekannt als die VAN-Methode. Unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung entbrannte in der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine heftige Kontroverse über die Möglichkeit der Erdbebenvorhersage.

Die Kontroverse beschränkte sich nicht nur auf griechische Wissenschaftler, sondern wurde zu einer der bedeutendsten Episoden in der internationalen Debatte über die Erdbebenvorhersage. Der Streit überschritt bald die Grenzen der wissenschaftlichen Gemeinschaft, da viele seiner Episoden in der Öffentlichkeit stattfanden. Die breite Öffentlichkeit in Griechenland erlebte erstmals Wissenschaftler, die sich im Fernsehen und in Zeitungen in einen intensiven und aufgeladenen Dialog verwickelten.

Aber warum entstand dieser spezielle Streit? Es ist nicht ungewöhnlich, dass unter Wissenschaftlern Meinungsverschiedenheiten entstehen, aber nicht alle von ihnen werden zu Kontroversen. Welche Faktoren beeinflussten seine Entwicklung? Waren sie rein wissenschaftlich oder spielten auch Faktoren außerhalb des wissenschaftlichen Prozesses eine Rolle? Was passiert, wenn die Unsicherheit, die in wissenschaftlichem Wissen inhärent ist, in der Öffentlichkeit sichtbar wird? Wie beeinflusst es die öffentliche Wahrnehmung von Wissenschaft? Was ist die Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik, wenn letztere auf ersterer beruhen muss, um schwierige Entscheidungen zu treffen? Diese Fragen werden in diesem Buch behandelt, um sowohl die Kontroverse um die Erdbebenvorhersage in Griechenland als auch, soweit es seine Möglichkeiten zulassen, die Rolle der Wissenschaft in modernen Gesellschaften zu beleuchten. Einige dieser Fragen sind auch während der Bewältigung der aktuellen COVID-19-Pandemie aufgetaucht und haben erneut die Beziehung zwischen Wissenschaft, Politik und Medien in den Bereichen Biologie und Medizin in den Vordergrund gerückt.